Minecraft mit den Eltern

Saša Stanišic liest aus seinen Werken

Ende Februar besuchte unser 12er Leistungskurs Deutsch mit Frau Tubbesing eine Lesung des Schriftstellers Saša Stanišic in dem Wiesbadener Literaturhaus Villa Clementine. Zur Zeit ist Saša Stanišic Poetikdozent an der Hochschule RheinMain und gewährt in seinen Vorlesungen Einblicke in die Arbeit eines Schriftstellers. Für seinen letzten Roman „Herkunft“ erhielt er 2019 den Deutschen Buchpreis, mit dem zu Beginn der Frankfurter Buchmesse der beste deutschsprachige Roman des Jahres ausgezeichnet wird.

Lesung

Auszüge sowohl aus diesem Roman als auch aus dem zuvor erschienenen Erzählband „Fallensteller“ und eine bislang unveröffentliche Erzählung bildeten die Grundlage dieser Lesung mit einer anschließenden Fragerunde. Herr Stanišic bevorzugt es eigentlich, wenn SchülerInnen diese Veranstaltung planten und durchführten und er sich mittendrin befinden würde, aber die Örtlichkeiten entsprachen dem nicht. Trotzdem gelang es ihm, die Distanz zwischen uns durch seine lockere, offene und ehrliche Art abzubauen. Lebendig und gestikulierend trug er seine Texte fast auswendig vor, Erklärungen ergänzten die Texte, so dass wir vergaßen, welche Verständnisschwierigkeiten wir mit manchen seiner Texte aus dem Erzählband „Fallensteller“ aufgrund des anspruchsvollen Stils im Unterricht zuvor gehabt hatten.

Die vorgetragenen Geschichten basieren oft auf eigenen Erfahrungen. So z.B. die Geschichte, dass seine Mutter durch ihn zum echten Profi im Computerspiel „Minecraft“ geworden ist. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Ein Beispiel dafür ist der folgende Auszug aus der Erzählung „Im Ferienlager im Wald“, in das ein junger Ich-Erzähler gegen seinen Willen geschickt wird. Der Ich-Erzähler wehrt sich, indem er sagt, im Wald seien die Mücken das Letzte. „Es wurden mal tausend Leute statistisch befragt, was sie gern aussterben lassen würden, wenn sie könnten, und jetzt rate mal, auf welchem Platz die Mücke am Ende gelandet ist.“ 1) Aber es hilft nichts: er muss ins Ferienlager.

Auf die Frage, was ihn zum Schreiben gebracht habe, antwortet Herr Stanišic, dass das Schreiben ihm in seiner Jugend geholfen habe, den Bosnienkrieg und seine Erlebnisse zu verarbeiten. Saša Stanišic ist 1992 als Vierzehnjähriger aus seiner Heimat Višegrad im ehemaligen Jugoslawien (heute Bosnien-Herzegowina) mit seinen Eltern geflohen. Die Ankunft im fremden Land, in Heidelberg, mit einer fremden, ihm unbekannten Sprache thematisiert er humorvoll in seiner Erzählung „Bruce Willis spricht Deutsch“ aus dem Roman „Herkunft“:  Deutsch habe unheimlich viele Fälle und eine schwierige Aussprache, so Saša Stanišic. Auch wenn er sich die deutsche Sprache neu aneignen musste, er schreibe gerne auf Deutsch. Deutsch sei die Sprache, mit der er sich am besten ausdrücken könne. Trotzdem schreibe er momentan mit seinem vierjährigen Sohn ein serbokroatisches Kinderbuch, antwortete Herr Stanišic auf unsere Nachfrage hin.

Ein weiterer Grund, Schriftsteller zu werden, sei sein Vergnügen am Lesen gewesen. Er wolle dieses weitergeben und habe somit begonnen, selbst zu schreiben. Auch jetzt, da er viel unterwegs sei, nehme er sich jeden Tag Zeit zu schreiben: er wolle schließlich nicht aus der Übung kommen. Auch wir können jederzeit beginnen, phantasievolle Geschichten zu verfassen: dies sei in jedem Alter möglich.

Wer Saša Stanišic einmal live erleben möchte: In Wiesbaden finden noch zwei Lesungen statt: am Donnerstag, dem 02. April,  und am Mittwoch, dem 13. Mai, jeweils um 19:30 h im Kulturforum Wiesbaden (Schillerplatz 1-2).

Uns jedenfalls hat es sehr viel Freude gemacht, ihm zuzuhören.

 

Autoren: Carlotta Guerrini, Jana Krogemann, Marie Methfessel (BG-12/2)
Redaktion: Astrid Tubbesing
Stand: 03/2020

 

1) Stanišic, Saša: Im Ferienlager im Wald. In: Fallensteller, München 2017, S. 159