70 Jahre Hochschulreife an der Friedrich-List-Schule

„Modern aus Tradition“

 

„Feste soll man feiern wie sie fallen!“ – nach diesem Motto möchten wir an dieser Stelle würdigen, dass Schüler*innen ihre Hochschulreife an der Friedrich-List-Schule bereits seit dem Jahr 1951 erlangen können.

Wie alles begann

1948 wird die städtische Handelslehranstalt - gegründet 1902 - in eine selbstständige Berufsschule (spätere Schulze-Delitzsch-Schule) und in eine Wirtschaftsoberschule, Höhere Handelsschule und Handelsschule (spätere Friedrich-List-Schule) aufgeteilt. Diese Vollzeitschulen entsprechen dem neuen Zeitgeist – hin zu modernen, neusprachlichen Fächern.

Kollegium 1954

Die Wirtschaftsoberschule (WO) führt nach drei Jahren noch nicht zur allgemeinen Hochschulreife, sondern zur fachgebundenen Hochschulreife. Man konnte damit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studieren und eine nicht unerhebliche Zahl ehemaliger Lehrkräfte an der Friedrich-List-Schule und der Schulze-Delitzsch-Schule ist über diesen Weg Diplom-Handelslehrer geworden. Im Jahre 1952 führt die Wirtschaftsoberschule als erste Wiesbadener Schule nach dem Krieg eine Auslandsstudienfahrt nach London durch.

Wirtschaftsoberschule

Schon 1960 wird an der Friedrich-List-Schule das Wirtschaftsgymnasium eingerichtet, das zur allgemeinen Hochschulreife führt, während die dreijährige Wirtschaftsoberschule weiterhin nur zum Studium der Wirtschaftswissenschaften berechtigt.

Verleihung der allgemeinen Hochschulreife

Nur zwei Jahre später, 1962, erhält der erste Abiturjahrgang die allgemeine Hochschulreife an der FLS; darunter auch Dr. Ulf Böge, ehemaliger Präsident des Bundeskartellamtes in Bonn. Unser langjähriger ehemaliger Schulleiter, Wolfgang Thiel, hat ebenfalls als einer der ersten Abiturienten von 1964 bis 1966 das Wirtschaftsgymnasium besucht. Er erinnert sich: „Die Unterschiede zwischen Wirtschaftsoberschule und Wirtschaftsgymnasium hingen mit der unterschiedlichen Stundentafel (z.B. zusätzliche Wahl der zweiten Fremdsprache, Umfang der allgemeinbildenden Fächer im Verhältnis zur den Wirtschaftsfächern) zusammen. Damals gab es noch kein Kurssystem. (…) Mein Jahrgang startete nur mit einer Klasse 11 und wir waren ja dann in 12 und 13 …im Klassenverband. D.h. wir haben alle immer den gleichen Unterricht gehabt.“

Neubau FLS 1965

Im Jahre 1968 werden schließlich die neuen Gebäude der FLS in der Brunhildenstraße offiziell eingeweiht und 1969 dann das Wirtschaftsgymnasium um ein technisches Gymnasium erweitert.

Entstehung des Beruflichen Gymnasiums

Die Durchlässigkeit der Bildungswege ist eine wesentliche Voraussetzung für das Aufblühen dieser Schulform, deren Absolventen es später zu Schlüsselpositionen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft brachten. 1977 werden im Zuge der Reform der gymnasialen Oberstufe das Wirtschaftsgymnasium und das Technische Gymnasium zum heutigen Beruflichen Gymnasium (BG) zusammengefasst. In Kooperation mit der Kerschensteinerschule erfolgt der Modellversuch zur Doppelqualifikation „Allgemeine Hochschulreife und Berufsausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten“ in einem dreijährigen Bildungsgang. Das Angebot allgemeinbildender Leistungskurse wird kontinuierlich erweitert (Deutsch und Physik).

 

Neue Fachbereiche und wachsende Schüler*innenzahlen

2002 wird das Berufliche Gymnasium um den Schwerpunkt Datenverarbeitungstechnik erweitert, der mit zwei Klassen 11 startet. Max Gärtner wird als erster Absolvent unseres BG Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 2004 erhält Michaela Götz als erste Absolventin unserer Schule den 1. Förderpreis der Karin-Elisabeth-Loos-Stiftung. Seit 2008 bietet das Berufliche Gymnasium 5 Fremdsprachen an: neben Englisch, Französisch, Italienisch und Latein können die SuS auch Spanisch als Fremdsprache lernen. Das Angebot des Beruflichen Gymnasiums erweitert sich außerdem um die Schwerpunkte Gesundheit und Gestaltungs- und Medientechnik. Die Schule erlebt einen Ansturm bei den Anmeldungen für das BG; es werden zwölf Parallelklassen in Stufe 11 eingerichtet.

Die Projektwoche der Jahrgangsstufe 12 des Beruflichen Gymnasiums  hat Tradition. Sie mündet an einem Samstag in den Tag der offenen Tür. Alle Fachrichtungen präsentieren ihre Ergebnisse aus den verschiedenen Projekten. Daneben gibt es zahlreiche Schnupper-Unterrichtsstunden und Infostände. Viele Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler aus allen Fachbereichen sind anwesend, um die zahlreichen Fragen der interessierten Besucher zu beantworten. 2015 nimmt eine Rekordzahl von 211 Abiturientinnen und Abiturienten in der Aula der Friedrich-List-Schule in Anwesenheit von Eltern und Freunden ihre Zeugnisse der allgemeinen Hochschulreife in Empfang.

Aktuelle Situation

Im Schuljahr 2020/21 beschult das Berufliche Gymnasium über alle drei Jahrgangsstufen mehr als 850 Schülerinnen und Schüler. Damit zählt die Friedrich-List-Schule zur größten Oberstufe in Wiesbaden. Mittlerweile kann zwischen 7 Fachrichtungen ausgewählt werden: Wirtschaft und Wirtschaft bilingual (englisch), Praktische Informatik, Chemietechnik, Elektrotechnik, Gesundheit und Gestaltungs- und Medientechnik. 

Abitur in Corona-Zeiten

Die Abiturprüfungen finden im Schuljahr 2020 unter außergewöhnlichen Bedingungen statt. Mitten in der Corona-Krise schreiben die Prüflinge ihre Klausuren – mit weitem Abstand zueinander und ohne Aussicht auf eine Abiturfeier. Trotz der widrigen Umstände legen die Abiturientinnen und Abiturienten ein anspruchsvolles Abitur mit guten Ergebnissen ab und nehmen ihre Reifezeugnisse bei strahlendem Sonnenschein, gut gelaunt und in festlicher Stimmung im grünen Klassenzimmer der FLS entgegen.

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Ausblick

Neue und geänderte Bildungsgänge haben im Laufe der vergangenen Jahre an der Friedrich-List-Schule zu einem deutlich erhöhten Raumbedarf geführt, um dem immer differenzierteren Bildungsangebot der Schule zu entsprechen. Die Stadt Wiesbaden gibt im März 2021 grünes Licht für die Errichtung eines Neubaus an der Stelle der bisherigen Aula der Friedrich-List-Schule. Das Projekt ist mit über 54 Millionen Euro veranschlagt und soll mit zeitgemäßer Technik und Möblierung den Anforderungen unserer modernen beruflichen Schule gerecht werden. Ein Mammutprojekt, das eine klimarelevante Bauweise mit den – digitalen - Erfordernissen einer Schule der Zukunft verbinden will.

 

Wir halten fest, dass die allgemeine Hochschulreife an der FLS für Schülerinnen und Schüler modern aus Tradition ist – und gleichzeitig zukunftsweisend!

 

Martina Lind

Quellen:

Festschrift „2002 – 100 Jahre kaufmännische Schulen in Wiesbaden“; E-Mail Korrespondenz mit den Herren Udo Schläfer und Wolfgang Thiel; Presseartikel im WK vom 24.3.21: „Millionen für Berufsschulen – Stadtverordnete beschließen Neubau für List- und Ausstattung für Ebertschule“