Das große Finale: Verabschiedung der Abiturientinnen und Abiturienten 2010

Ein buntes Publikum hat sich in der oberen Aula der Friedrich-List-Schule versammelt. Rot-weißer Blumenschmuck lässt einen besonderen Anlass für dieses Zusammentreffen erahnen: Die feierliche Übergabe der Reifezeugnisse steht bevor. Über den Sitzreihen schwebt ein Summen wie im Bienenstock, viele der Absolventinnen und Absolventen haben Familie und Freunde mitgebracht, man zupft an nicht ganz alltäglichen Kleidungsstücken, man tuschelt und lacht, Spannung und Vorfreude liegen in der Luft: Das lange ersehnte Ende der Schulzeit ist zum Greifen nah.

Finale 2010: Der Schulleiter beschreibt die sportlichen Herausforderungen der Oberstufenzeit

Herr Thiel tritt ans Rednerpult. In seiner Ansprache schlägt der Schulleiter den Bogen zur Fußball-Weltmeisterschaft, die in diesen Tagen die Gemüter bewegt, und lässt die vergangenen drei Jahre Revue passieren. An der FLS sind im Sommer 2007 genau 192 Elftklässer angetreten, um sich für das große Finale 2010 zu qualifizieren. Ein Jahr später sind 142 von ihnen in neuen Formationen – Grund- und Leistungskursen – in die Jahrgangsstufe 12 gestartet. Im Sommer 2009 hat für 120 ausdauernde Kandidatinnen und Kandidaten mit der 13. Jahrgangsstufe eine besonders intensive Trainingsphase begonnen. Aus den Abiturprüfungen im Frühjahr 2010 sind 109 Sieger hervorgegangen, die heute im Rahmen der Zeugniserteilung noch einmal buchstäblich auf das „Treppchen“ steigen werden.

Herr Thiel dankt den Eltern, die ihren Kindern Türen geöffnet, Unterstützung geboten und eine gute Startposition für die Zukunft ermöglicht haben. Auch die Lehrkräfte bezieht er in die Dankesworte ein, wobei er ihnen die Erfüllung sehr vielfältiger Rollen – Wissensvermittler, Trainer, Psychologen, Sozialarbeiter und Krisenmanager – bescheinigt. Ausdrücklich lobt er die Mitarbeiterinnen der Verwaltung, namentlich Frau Reichel als Ansprechpartnerin der Schülerinnen und Schüler des beruflichen Gymnasiums, für die umsichtige und geduldige Betreuung ihrer Schützlinge. Seine guten Wünsche zum Abschluss verbindet er mit einer flammenden Werbung für den Beruf des Lehrers, den er den Anwesenden als schöne und erfüllende Lebensaufgabe empfiehlt.


Abitur 2010 – Frau Dr. Schlicht blickt zurück, aber vor allem nach vorne

Frau Dr. Schlicht als Abteilungsleiterin des beruflichen Gymnasiums nimmt in ihrer Rede diesen Faden auf. Am Ende ihrer Schulzeit hat sie geschworen, nie wieder eine Schule zu betreten – und sich später völlig gewandelt als Lehramtsstudentin wiedergefunden. Spontanen Beifall erntet sie für ihr Bekenntnis, sie sei heute trotz mancher schwieriger Phasen weder vom Herzen her noch tatsächlich von „ihrer“ Schule wegzubringen.

Der Blick zurück auf die eigene Schulzeit bringt Schauriges ans Licht: verkrampfte Lehrer in abgeschabten Anzügen und strenge dunkle Räume, altgriechische Grammatik und kryptische physikalische Formeln – also nichts, was beweisen könnte, dass man tatsächlich „nicht für die Schule, sondern fürs Leben“ lerne, wie es die Inschrift an ihrem Schultor behauptet hat.

Ähnliche Deutungsmuster der schulischen Wirklichkeit scheinen auch die Abiturientinnen und Abiturienten, die heute verabschiedet werden, während ihrer Schulzeit gehabt zu haben: Auch sie hätten zu kleinen Fluchten geneigt, ausgefeilte Ablenkungsmanöver entwickelt und ungeniert jede ausfallende Unterrichtsstunde gefeiert. Mit dem Herannahen der Prüfung jedoch hätten sie um jede Gelegenheit zum Wiederholen, Üben und Lückenfüllen gekämpft.

Frau Dr. Schlicht berichtet augenzwinkernd, sie selbst habe sich gerade in den zahllosen mündlichen Abiturprüfungen davon überzeugen können, wie vielfältig die Bezüge zwischen Schule und Lebenswirklichkeit seien. Da habe ein Prüfling im Fach Deutsch, brütend über Fragen zur Liebe zwischen Faust und Gretchen, die Erkenntnis formuliert, dass Sex allein Probleme nicht lösen könne – beinahe ein Merksatz fürs Leben.

Dass Schüler auch in philosophischen Fragestellungen lebenspraktische Alltagskompetenz zeigen, habe sie daraus geschlossen, dass Prüflinge aus Schopenhauer regelmäßig „Schoppenhauer“ machten – vermutlich eine Interpretation, die regional bedingt ist und vor allem im Rheingau auftreten dürfte.

All die launigen Einzelheiten verstellen jedoch nicht ihren Blick darauf, dass viele Kandidatinnen und Kandidaten in den Prüfungen über sich selbst hinauswachsen konnten, während andere an ihre Grenzen gestoßen sind. Darauf gründet Frau Dr. Schlicht ihre abschließenden guten Wünsche: Sie hofft, dass die Schule den Abiturientinnen und Abiturienten geholfen hat, herauszufinden, wer sie sind, und es ihnen ermöglicht hat eine persönliche Haltung zu finden, für die sie eintreten werden.

Nach den Ansprachen werden die Abiturzeugnisse ausgehändigt. Kurs für Kurs rufen die Tutoren nach zwei ereignisreichen gemeinsamen Jahren noch einmal ihre Schülerinnen und Schüler auf. Diesmal jedoch trifft man sich nicht wie gewohnt im Klassenzimmer, sondern auf der Bühne, schick und froh, ein bisschen wehmütig vielleicht und auf jeden Fall voller Erwartungen. Man postiert sich zum Gruppenfoto auf dem Bühnenaufgang, der im elterlichen Blitzlichtgewitter über den strahlenden jungen Leuten nun unzweifelhaft zum Siegertreppchen geworden ist. Und der Schritt vom Treppchen herunter ist zugleich der Schritt in ein ganz neues Leben...


Abitur-Ehrungen 2010: Freudige Gesichter und ein Stipendium

Freudige Gesichter sah man bei den 109 Absolventen des Beruflichen Gymnasiums der Friedrich-List-Schule, die letzte Woche ihr Abiturzeugnis überreicht bekamen. Der Jahrgangsbeste Timmy Majer konnte sich zudem über ein Stipendium der Karin-E.-Loos-Stiftung freuen.


Kirsten Parche
Stand: 06/2010