Berufsschüler engagieren sich für mehr Toleranz und Gleichberechtigung - ein Schulprojekt mit Herz

Wenn im Rhein-Main-Gebiet Männer bunt geschminkt und mit glänzenden Cocktail-Kleidern zu sehen sind, dann kann das nur eins bedeuten: Es ist Fastnacht. Oder: Der Christopher Street Day (CSD), der am 06. Juni 2015 in Wiesbaden stattfand!

In diesem Jahr gab es eine Besonderheit: Im Organisationsteam waren neben dem Verein Warmes Wiesbaden und einigen ehrenamtlichen Helfern auch Berufsschüler samt Lehrerin der Friedrich-List-Schule beteiligt. Die angehenden Veranstaltungskaufleute haben sich für den CSD als ihr Abschlussprojekt entschieden. Bis dato war allerdings noch Niemandem klar, wieviel Arbeit auf uns zukommen würde.

 

Die Planung begann bereits im September 2014. Für die Organisation und Durchführung der Veranstaltung hat sich die Berufsschulklasse zusammen mit den anderen Helfern in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt. Unter anderem gab es Verantwortliche für die Bereiche Sponsoring/Finanzierung, PR, Ständeorganisation und das Programm des Sommerfestes, der Demoparade sowie der Party.

In den regelmäßigen Meetings am Schlachthof wurde in großer Runde überlegt und diskutiert bis die Köpfe rauchten. Wer ist für was zuständig? Unter welchem Motto wird der diesjährige CSD stattfinden? Wie wird das Programm am Schlachthof aussehen? Diese waren wichtige Fragen, um am 06.06.2015 mit einer perfekten Organisation zu glänzen. Die Kooperation der Auszubildenden zu Veranstaltungskaufleuten mit Mitgliedern des Vereins Warmes Wiesbaden präsentierte von Anfang bis Ende wie toll eine Zusammenarbeit zwischen der Schule und der „Szene“ funktionieren kann. Wir wollten allen Menschen zeigen, dass Sie keine Scheu haben sollen, mit Homosexuellen zu arbeiten oder zu feiern und ein Vorbild für andere Schulen sein!

 

Da in ganz Deutschland besorgte Eltern gegen moderne Bildungspläne protestieren, bei denen Themen wie die sexuelle Vielfalt angesprochen werden, wollte der Wiesbadener CSD aus aktuellem Anlass mit dem Motto:  „#duWIich – Bildung macht SchLAu nicht schwul“ ein Zeichen setzen für eine offene und vielfältige Atmosphäre an Schulen sowie mehr Toleranz gegenüber verschiedenen Lebensformen. In Anlehnung an das Projekt SchLAu war es unser Ziel, schwulenfeindliche Ausdrücke auf Schulen und in unserem Alltagsleben zu bekämpfen sowie Akzeptanz für das „Anderssein“ bereits bei Schülern zu schaffen.

Bei jedem Treffen nahm das Projekt zunehmend Gestalt an, wobei jede Meinung willkommen war und diskutiert wurde. Dabei haben wir die verschiedenen Ansichten und Lebenseinstellungen der am CSD Beteiligten kennen und lieben gelernt. Somit wurde das Projekt auf verschiedenen Ebenen lehrreich für uns.

 

Die Demo-Parade

Farbenfroh, stimmungsvoll und gut gelaunte Menschen – so lässt sich die Demo-Parade durch die Wiesbadener Innenstadt beschreiben. Diese gab ab 14 Uhr den Startschuss für einen unvergesslichen Tag. Um die 1.500 Besucher waren über den Tag verteilt anwesend.

Mit Paradewagen, Walking Acts und musikalischer Begleitung durch die Guggemusikgruppe „Rotwoigeistern“ aus Ingelheim bewegte sich die bunte Masse durch die Straßen Wiesbadens in Richtung des Hessischen Landtages, um mit Plakaten, Schildern und Flyern die Stadt aufzurütteln und zu zeigen, dass etwas geändert werden muss: In der Politik, in den Köpfen der Menschen und auf Schulhöfen.

Echte Hingucker waren an diesem Tag die verschiedenen Outfits. Egal ob in Morphsuits (Anzüge aus elastischem Stoff, die den ganzen Körper vollständig bedecken und damit Anonymität und Freiheit schenken) oder bunt bemalte Bodypainter, jeder wollte an diesem Tag eines erreichen: Dass Homosexuelle, Transsexuelle, Bisexuelle und auch Heterosexuelle lieben können wen sie wollen und eine gleichgeschlechtliche Ehe auch in Deutschland legal wird! Ganz nach dem Motto: Menschen lieben Menschen!

 

Über 700 Teilnehmer versammelten sich zur Kundgebung auf der Treppe vor dem Landtag. Die Vorsitzende des Vereines Warmes Wiesbaden e.V., Mascha Holly, und Christian Kopp thematisierten die Bildungspolitik und die Ehe für alle. Mit viel Energie und großer Überzeugungskraft brachten beide Sprecher die Masse zum Jubeln.

Auch die Schulklasse hatte ihren Spaß und als Ordner gaben sie eine gute Figur ab. Stadtbesucher wurden durch Regenbogenfahnen und Flyer zum Mitfeiern eingeladen. Viele schlossen sich der bunten Masse an. Kleine, große, alte oder junge Menschen wurden auf den Straßen angesprochen. Von vielen hörte man begeisterte Stimmen, andere wiederrum konnten die Aufruhe nicht verstehen.

       

   

 

Das Sommerfest

Angekommen am Schlachthof eröffneten wir feierlich das Sommerfest mit einem bunten Mix aus Spaß, Unterhaltung und Aufklärung. Eltern, die am von uns selbstorganisierten Weinstand gerne eine Weile entspannen und ein Gläschen Wein des renommierten Weinguts Balthasar Ress genießen wollten, hatten die Möglichkeit, ihre kleinen Liebsten beim Kinderprogramm beschäftigen zulassen. Auf dem ganzen Platz waren genügend Getränkestände und ein Essensstand, der Bratwürste, Pommes Frites und Burger anbot, aufgebaut, sodass es an nichts fehlte. Von Erdbeerbowle über ein kühles Bier und Softgetränken, bis hin zu leckeren Cocktails war einfach alles da, was das „warme“ Herz begehrte.

 

Etwa gegen 17 Uhr startete die Podiumsdiskussion: „Akzeptanz 2015: Demos für alle, Pegida und besorgte Eltern?“ mit unserem Schirmherr Mathias Wagner und weiteren Teilnehmern. Doch das war noch nicht genug. Musikalisch wurde das Sommerfest von vielen Acts untermalt. „Chris & Taylor“ und „One Love-Crew“ waren unter anderem vor Ort und sorgten für gute Stimmung. Viele Gäste fanden sich in der Lounge auf der Wiese des Schlachthofgeländes wieder und lauschten bei einem kühlen Cocktail in einem Liegestuhl der Musik. Wem das nicht aktiv genug war, der konnte sich beim Volleyballturnier austoben und Leistung zeigen. Dieser Programmpunkt kam so gut an, dass trotz der heißen 28°C bis in die späten Abendstunden gespielt wurde.

 

Über den Nachmittag verteilt gab es bei der Tombola tolle Preise zu gewinnen. Eine Tanzgruppe der Tanzschule Weber sorgte mit mehreren kleinen Showeinlagen für gute Stimmung und bewegte mit ihrer Choreografie die ganze Menge. Der Tag war voller Highlights, sodass es niemandem langweilig werden konnte.

 

Mehrere Schüler halfen am Podium den Bands und Sängern die Technik in den Griff zu bekommen und waren als Ansprechpartner stets vor Ort. Am Weinstand wechselten sich in drei Schichten Schüler und ehrenamtliche Helfer ab, um Wein, Kuchen, Sekt und Bowle zu verkaufen. Im VIP-Bereich traf man zu jeder Zeit bekannte Gesichter von Helfern an, welche stets ein Lächeln auf den Lippen hatten und damit vermittelten, wieviel Spaß sie bei der Arbeit hatten. Es war schön zu erleben wie gut die Veranstaltung bei den Gästen ankam.

 

Auch hinter den Kulissen war nach wie vor viel los. Noch während des Sommerfestes kümmerten sich verschiedene Helfer des Organisationsteams um die Gestaltung der Räumlichkeiten des Schlachthofs für die große CSD-Party. Luftballons wurden in den wunderschönen Regenbogenfarben der PACE-Flagge aufgehängt. Auch die metergroße Flagge selbst wurde zum Eyecatcher in der Partyhalle.

 

Der Tag ging langsam vorüber und es wurde allmählich leiser auf dem Gelände, jedoch war dies kein Zeichen für das Ende des Festes. Nun ging es erst richtig los. Zum Einstimmen auf die Party im Schlachthof füllte der Headliner „One Love-Crew“ das neue Kesselhaus, währenddessen warfen sich die Dragqueens in ihre schimmernden Kleider. Im Backstagebereich liefen sogar für den einen oder anderen die Lockenwickler heiß.

 

 

 

Die CSD Party – der krönende Abschluss

Ab 22 Uhr strömten alle Besucher, die den Tag über da waren und Einlassbändchen gekauft haben, zur Party. Über 1.000 Besucher wurden gezählt.

Als Hingucker erwiesen sich die zwei Dragqueens, die für jeden willkommenen Gast einen Shot ausgaben. Ebenfalls tanzten sie zu späterer Stunde auch auf der Bühne und ließen so manche Herzen höher schlagen.                        

 

Bunter als im Schlachthof war es in dieser Nacht nirgendwo in Deutschland. Die größte Diskokugel des Landes glänzte mit den Gästen um die Wette, während die DJs die Party-Meute auf zwei Floors kräftig einheizten. Die Hallen waren voll mit bunten Luftballon-Ketten an der Decke. Bunte Fahnen schmückten die Wände. Sowohl die Gäste als auch das ganze Organisationsteam hatten viel Spaß und schwingten das Tanzbein. Endlich konnten alle den Stress des vergangenen halben Jahres vergessen und das gelungene Spektakel mitfeiern. Bis in die späten Morgenstunden wurde getanzt und gelacht.

 

  

 

Ein Rückblick

Der CSD Wiesbaden hat uns nicht nur gezeigt wie komplex die Organisation einer Großveranstaltung sein kann, sondern hat uns beigebracht, vorurteilsfrei zu leben und zu handeln. Wir haben gelernt was es bedeutet diskriminiert zu werden oder sich für seine eigene Lebensform rechtfertigen zu müssen. Wir wurden Teil von Diskussionen die jeder Homo-, Bi- oder Transsexueller wahrscheinlich mehrmals wöchentlich führen muss. Diskussionen die auch wir mit vielen Freunden, von denen wir eine solche Abneigung niemals erwartet haben, führen mussten.

Und obwohl das zwischenmenschliche Erlebnis hier die größere Rolle spielt, darf man auf keinen Fall vergessen, was jeder von uns beruflich aus dem Projekt mitgenommen hat. In unseren Betrieben bekommen wir selten die Gelegenheit die gesamte Verantwortung zu übernehmen und die Freiheit, eine Veranstaltung so zu gestalten, wie wir es uns vorstellen. Am Anfang waren wir diesen Gedanken gewohnt und dachten wir würden bald an Grenzen stoßen, an denen unsere Ideen ausgebremst werden, stattdessen wurden wir aber gefördert und gelobt.

Ein weiteres unbekanntes Land für die meisten von uns war die Zusammenarbeit mit dem Staat bzw. der Stadt. Politiker und Politik ganz nah erleben und zu sehen inwiefern man als solche Organisation unterstützt wird oder eben auch nicht.

Wir haben uns gemeinsam weiterentwickelt, neue Freunde gewonnen und für uns ist daraus so viel mehr als nur ein Schulprojekt geworden. Die wunderbare Zusammenarbeit ist für viele ein Grund diesem Projekt treu zu bleiben und auch nächstes Jahr wieder ein Teil des Christopher Street Days in Wiesbaden zu sein.

Egal ob jetzt Fastnacht oder CSD, am Ende feiern wir eben alle gemeinsam, #duWIich!

 

Klasse 11.51
Stand: 08/2015

 

Videobeiträge zu der Veranstaltung

 

Presseartikel zu der Veranstaltung

 

Weitere Informationen und Fotos zu unserer Veranstaltung finden Sie auf der Homepage des CSD-Wiesbaden

 

 

#Übrigens: Unsere Shirts haben wir bei Hi5 bedrucken lassen!

Der Druck ist super schnell, günstig und von hoher Qualität! www.hi5textildruck.de

 

 Fotogalerie: