'Auf Kafkas Spuren' – Schüler der Jahrgangsstufe 13 erleben die Texte Kafkas als Theateraufführung

Dass der Zuschauer nicht nur konsumierend von seinem Sitzplatz aus einer Theateraufführung beiwohnen muss, bewies eindrucksvoll die Theatergruppe 3D mit ihrem neuen Stück „Auf Kafkas Spuren“. So begann für die Schüler/Innen der Jahrgangsstufe 13 des beruflichen Gymnasiums die Vorstellung bereits auf dem Schulhof. Und indem den paarweise aufgestellten SchülerInnen beim Eintritt in die Aula durch einen Stempel  willkürlich ein Sitzplatz zugewiesen wurde, spürten sie den Einfluss einer „höheren Macht“, dem sich der Einzelne nicht zu entziehen wagt und dessen Logik er nicht erkennt.

Die folgende einstündige Vorstellung der vier Schauspieler Eric Haug, Kathrin Maier, Wencke Matthai und Sarah Palarczyk vermittelte anschaulich Kafkas absurde und dadurch bedrohlich wirkende Welt, der der Einzelne ausgeliefert ist. Mit nur wenigen Requisiten gelang es den Schauspielern, durch ihre darstellerische Leistung und ihrem Einfallsreichtum Kafkas Leben, seine Werke und seine Erfahrungswelt den SchülerInnen nochmals nahe zu bringen. Nochmals, da Prosatexte Franz Kafkas für die Abiturprüfung im kommenden Frühjahr relevant sind und bereits im Deutschunterricht der Grund- und Leistungskurse behandelt wurden. Da nicht alle SchülerInnen  dieselben Werke gelesen hatten, ermöglichte die Kombination von Bekanntem und Unbekanntem auch neue Einblicke.

Die Akteure legten Wert auf eine genaue Wiedergabe der Prosatexte, so dass SchülerInnen Unterrichtsinhalte wiedererkannten,  aber es wurde „nicht langweilig, denn man hatte eine zusätzliche visuelle Darstellung der Werkausschnitte“, bemerkte ein Schüler. Besonders beindruckte die SchülerInnen die Darstellung des Käfers aus der Erzählung „Die Verwandlung“. Hier verhakten sich die Schauspieler ineinander, um Gregor Samsa in seiner Verwirrung und Hilflosigkeit darzustellen. Auch „die Graphik mit ihren verwinkelten Treppen und den darin sich verirrenden Menschen als Bühnenhintergrund eignete sich gut, die manchmal schwer nachzuvollziehende Intention Kafkas zu verstehen“, lautete der einhellige Tenor.

Dass Prosatexte nicht nur menschliche Erfahrungen widerspiegeln, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts gemacht wurden und damit Schnee von gestern sind, sondern dass die kafkaeske Welt auch heute noch anzutreffen ist, zeigten die Schauspieler unter der Regie von Beate Krist auf humorvolle Weise in der Mitte ihrer Performance: aus ihrer Rolle heraustretend, stellten die Schauspieler heutige Alltagsszenen dar und vermittelten damit die Aktualität der kafkaesken Wirklichkeit. So etwa gerät man bei dem  Versuch, den zuständigen Sachbearbeiter beim Arbeitsamt zu kontaktieren, in eine endlose Warteschleife und steht völlig hilflos dem anonymen Machtapparat gegenüber. 

Das abschließende Gespräch des Theaterensembles mit den SchülerInnen rundete die Aufführung ab. Besonderes Interesse galt dabei dem Entstehungsprozess eines Bühnenstückes. Die SchülerInnen erfuhren, dass sich die Theatergruppe 3D an den Interessen von Jugendlichen orientiert. Dabei möchte sie mittels der Texte, die auf der Bühne gespielt werden, den Zuschauer emotional ansprechen. „Wichtig war es uns, Franz Kafka als Menschen zu zeigen und dem Zuschauer zu vermitteln, warum er so geschrieben hat“, so Beate Krist. „Indem wir einen Bezug zu Kafkas Arbeitswelt in der Arbeiter-Unfall-Versicherungsgesellschaft herstellen und Hintergründe beleuchten, erhält der Zuschauer ebenfalls Einblick in seine Welt und in sein Denken“, ergänzte Sarah Palarczyk die Aussage ihrer Kollegin.

Dem bleibt nur noch das durchaus für uns alle gültige Fazit eines Schülers hinzuzufügen: „Zwar waren die Darstellungen für mich oft ‚Wiederholungen‘, dennoch werden sie aufgrund der Abwechslung, des Humors und der souveränen und ansprechenden schauspielerischen Leistung in meiner Erinnerung bleiben.“ 


Astrid Tubbesing
Stand: 12/2014

 

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