'Der Kapitän geht von Bord' oder 'Das Märchen vom Schiff und der Galeere'

Es war einmal ein Kapitän eines großen Schiffes mit vielen Matrosen und noch viel mehr Passagieren. Eines Tages sagte er zu seinen Matrosen: „Seit vielen, vielen Jahren diene ich auf diesem Schiff. Nun bin ich leider zu alt und die Reederei verlängert meinen Vertrag nicht. Außerdem hat sie kein Geld; ihr müsst deshalb ein Jahr lang ohne Kapitän segeln.“

Die Matrosen dachten über seine Worte nach.

Der Kapitän überragte seine Mannschaft weniger körperlich, bewies dafür aber umso größere Führungskraft. Er war der Vorsitzende der Kapitäne und lotste seine Mannschaft erfolgreich durch stürmische See. Ein Mann markanter Worte, der sich in einer längst vergangenen Weihnachtsansprache nicht scheute, sein Schiff mit einer Galeere zu vergleichen.

Mit Elan und Geschmeidigkeit gelang es dem Schiffsführer während seiner Dienstzeit immer wieder, Seeungeheuer und Drachen zu umschiffen.

Die Passagiere schätzten den Kapitän ferner wegen seines stets schmucken und stilsicheren Auftretens. Vielerorts und insbesondere beim jährlichen Kapitänsdinner mit den Passagieren konnte er sich auch auf schwankendem Parkett tänzerisch leicht bewegen sowie auf dem diplomatischen Parkett eloquent behaupten.

Obendrein waren die Matrosinnen traurig; sie würden die humorvollen Bemerkungen des Kapitäns über ihr hübsches Erscheinen vermissen.

Können wir behaupten, dass der Kapitän zu früh ein sinkendes Schiff verließ? Mitnichten. Unter Einsatz des Lebens und in allerletzter Minute verließ unser Kapitän das ordentlich geputzte Deck.

Da kam eine gute Fee und sagte zu ihm: „Du hast drei Wünsche frei!“ Er freute sich und wünschte als erstes, dass das Schiff mit allen Matrosen und Passagieren auch weiterhin seinen Kurs hält.  Die Fee strengte sich an und der Wunsch ging prompt in Erfüllung. Als zweites wünschte er sich, bis in den siebten Himmel zu tanzen. Auch dieser Wunsch wurde problemlos erfüllt. Sein dritter und letzter Wunsch war es, für immer mit seiner Frau zu allen sportlichen Großereignissen dieser Welt reisen zu dürfen. Wieder strengte sich die Fee mächtig an und erfüllte auch diesen Wunsch.

Von da an lebte er glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage.

 

Martina Lind
Stand: 07/2013


Presseartikel zur Verabschiedung von Herrn Thiel